Von allen guten Geistern verlassen

Bevor es mit dem Text losgeht, möchte ich mich kurz erklären. Bekomme ich ein Thema für einen Text, kommt es vor, dass ich einfach mal zwei Skripte verfasse. Eins wird veröffentlicht - das andere bleibt liegen. 

Hier nun ist mir allerdings das Thema zu wichtig, um es in der Schublade zu lassen. 

Und so kommt es, dass das Thema in der aktuellen Ausgabe des Magazins "50+" und hier identisch ist. Nur das Thema - versprochen.

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Eigentlich wollte Jonas heute zum Fußballtraining, denn den Traum von der ganz großen Karriere hatte er schon lange.

Jonas steht mit seinem Ball, und seinen Freunden auf dem Platz, der bis vor ein paar Wochen der Fußballplatz des Ortes war. Der Rasen ist mittlerweile eine Wiese, die Tore sind wackelig, und die Netze zerrissen.

Ein Verein ohne Trainer und Zeugwart ist nicht so richtig „betriebsbereit“, stellen die Sportler ernüchtert fest, und trollen sich frustriert nach Haus.

Oma Elfriede wartet nun auch bereits seit mehreren Tagen auf Besuch. Seit sie in der Seniorenresidenz wohnt, sind die regelmäßigen Besuche der netten Dame aus dem Kirchenkreis und die wöchentlichen Kaffeekränzchen ihr ganzes Leben. Ihr derzeitiger Tagesablauf ist eintönig und langweilig. Die Pfleger haben neben ihrer Arbeit, einfach keine Zeit für ein persönliches Gespräch. Schade, findet Elfriede, und wünscht sich die vergangenen Zeiten zurück.

Verzweifelt wählt Franz immer wieder die Nummer der Freiwilligen Feuerwehr des kleinen Ortes, aber niemand will den Hörer abnehmen. Dabei läuft sein Keller bei diesem Unwetter gerade bis unter die Decke voll. Und das Wasser steigt weiter.

Was ist nur los?

Eine einfache Frage, die sich sogar relativ leicht beantworten lässt.

So sähe unser Leben und unser Alltag aus, gäbe es nicht die vielen Menschen, die ihre Freizeit einem Ehrenamt widmen.

Diese Ehrenämter sind so unterschiedlich, wie anspruchsvoll.

Ob der Rentner seine Freizeit mit dem Rasenmähen des örtlichen Sportplatzes verbringt, oder der Sportlehrer nebenher noch den Fußballverein trainiert. Ob die Dame des Kirchenkreises ihre Passion in der Betreuung von einsamen Senioren findet, oder die Jugendfeuerwehr vom Ortsbürgermeister ausgebildet wird. Alle diese Tätigkeiten haben eins gemeinsam. Ohne sie wären die düsteren Visionen, vom Anfang dieses Textes, traurige Wirklichkeit.

Warum werden diese Guten Geister aber so oft übersehen? Weil wir die Arbeit, der Ehrenamtlich tätigen, als selbstverständlich hinnehmen. Weil wir diese Menschen als „Personal“ mit einplanen. „Sie machen das ja gern und freiwillig. Da muss man nichts entgelten.“ Leider ist diese Denkweise immer noch in vielen Köpfen fest verankert.

Natürlich machen die Leute das gern. Und selbstverständlich erwarten sie auch keine Entlohnung für ihr Tun.

Zumindest keine monetäre Entlohnung. Einfache Dankbarkeit und Freundlichkeit ihnen gegenüber ist allerdings schon angebracht.

Viele Ehrenamtlichen sind mittlerweile frustriert, da vieles eben zur Normalität geworden ist, und alles so hingenommen wird. Die Bereitschaft zum Ehrenamt geht in Deutschland immer mehr zurück. Waren es 2016 über 31 Millionen Menschen, die ein Ehrenamt bekleideten, lag die Zahl im Jahr 2020 bei ca. 17 Millionen.

Das sind zwar immer noch über 21% der Bevölkerung, aber die Tendenz gibt zu denken.

Wenn sich jeder ein wenig einbringt, wäre das sicher ein Schritt in die richtige Richtung.

Corona hat hier tatsächlich einen kleinen Schub gegeben. Zwar wurden Besuche in Pflegeeinrichtungen minimiert, aber viele ältere Menschen lernten erstmals ihre Nachbarn kennen, weil diese anboten, für sie den Einkauf zu übernehmen. Hier waren vor allem Jugendliche sehr aktiv.

In einer Zeit, in der Kontakte beschränkt werden mussten, kämpften kleine Musikensembles vor den Fenstern von Pflegeheimen mit Musik gegen die Traurigkeit. Es wurde gesungen und musiziert. Es gab spontane Aktionen, älteren Menschen Kontakte per Telefon mit ihnen fremden Menschen zu ermöglichen.

Aus der Not heraus entstanden viele schöne, soziale Projekte, die auch jetzt, wo es wieder Licht am Ende des Tunnels gibt, weitergeführt werden.

Lassen wir nicht zu, dass Jonas und sein Team sich durch Wildkräuterwiesen kämpfen müssen, auf dem Weg zur Bundesliga.

Sorgen wir dafür, dass Oma Elfriede nicht allein am Kaffeetisch sitzt und niemanden hat, mit dem sie plaudern kann.

Lassen wir den Keller von Franz nicht absaufen, nur weil niemand den Nachwuchs der Freiwilligen Feuerwehr ausbildet.

Lassen wir solch eine „Zukunft“ nicht zu.

An dieser Stelle von meiner Seite an alle Menschen, die sich ehrenamtlich engagieren, ein ganz herzliches DANKE.


22.08.2021